Illustration: Barbara Gramann
Sprecher Deutsch: Stephan Niemand
Übersetzer Englisch: Jan Bruder
Sprecherin Englisch: Karen Hubeny
© Mulingula e.V., lizensiert unter CC BY-NC-ND 4.0
von Hermann Mensing
by Hermann Mensing
Groß ist er nicht. Klein ist er nicht.
Dumm ist er nicht,
und blöd ist er schon gar nicht.
Aber dick, dick ist er!
Fast so dick wie ein Bär.
Sein Name ist Gustav: Gustav Klimperbein!
He’s not tall. He’s not short.
He’s not dumb, and he’s certainly not stupid.
But fat—oh boy, he’s fat!
Almost as fat as a bear.
His name is Gustav: Gustav Klimperbein!
Gustav wohnt in einem Haus in einer großen Stadt. Wenn Gustav aus dem Haus geht, ist um ihn herum alles groß. Groß und schlank. Die Häuser, die Autos, die Menschen, sogar die Hunde, die ausgeführt werden, und alle sind schwer beschäftigt.
Gustav nicht.
Gustav lives in a house in a big city. When Gustav leaves the house, everything around him is tall. Tall and slim. The houses, the cars, the people, even the dogs being walked—and they’re all very busy.
Not Gustav.
Gustav findet dicke Bäume schön, an die man sich schmiegen kann, dicke Autos, in denen viel Platz ist, dicke Hunde, mit denen man rumtollen kann und dicke Sparbücher, damit man nie arm ist.
Außerdem liebt er dicke Flugzeuge, dicke Schiffe, dicke Butterbrote, dicke Dicke und dicke Bettdecken.
Und am allerliebsten liebt er seine dicke Mama, seinen dicken Papa, seinen dicken Papagei und seine drei dicken Goldfische.
Gustav thinks fat trees you can lean against are beautiful, fat cars with lots of space, fat dogs you can romp with, and fat savings books so you’re never poor.
He also loves fat aeroplanes, fat ships, fat sandwiches, fat people, and fat duvets.
But most of all, he loves his fat mum, his fat dad, his fat parrot, and his three fat goldfish.
Das alles wäre in Ordnung, gäbe es da nicht ein Problem: Die Dünnen verspotten ihn!
„Gustav Wackelbauch!“, rufen sie, wenn er den Schulhoff betritt.
„Gustav Klimperschwein!“, auch.
„Gustav Klimperbauch!“, manchmal.
„Gustav Wackelbein!“, ab und an.
Aber am liebsten rufen sie:
„Gustav Wackelbauch!“
„Wackelbauch! Klimperschwein! Alles muss versteckt sein!“
All of that would be fine if it wasn’t for one problem: the skinny ones make fun of him!
“Gustav Wiggle-Belly!” they shout when he steps out onto the school playground.
“Gustav Klimperswine!” too.
“Gustav Klimperbelly!” sometimes.
“Gustav Wobble-Legs!” now and then.
But their favourite is: “Gustav Wiggle-Belly!”
“Wiggle-Belly! Wobble-legs! Klimperswine eats all the eggs!”
Es fällt ihm schwer, den Spott zu ertragen.
Aber erzählen will er niemandem davon.
Nicht mal Mama und Papa.
Er will eine Lösung finden, aber für sich ganz allein.
Er grübelt und grübelt.
„Ignorieren!“, ruft da eine Stimme in ihm.
„Igno - was?“
„Rieren!“, ruft die Stimme erneut.
„Ig - no - rie - ren!“
„Nicht hinhören! Weghören!“
„Den Buckel runterrutschen lassen! Finito!“
Vielleicht wäre das einen Versuch wert ...
Den ganzen Nachmittag hockt Gustav auf den Treppenstufen vor der blauen Vordertür und überlegt.
It’s hard for him to endure the teasing.
But he doesn’t want to tell anyone about it.
Not even his mum and dad.
He wants to find a solution, but all by himself.
He ponders and ponders.
“Ignore it!” a voice inside him says.
“Ig- what?”
“-nore it!” the voice repeats. “Ig-nore it!”
“Don’t listen! Tune it out!”
“Let it slide off your back! Done!”
Maybe it’s worth a try...
The whole afternoon, Gustav sits on the steps in front of the blue front door and thinks.
Als der Abend sich über die Stadt senkt, schlüpft er durch die Hintertür in den Flur, schleicht die Treppe hoch, geht in sein Zimmer und sperrt innen zu.
„Gustav!“, ruft seine Mutter.
Keine Antwort.
„Gustav, was treibst du da oben?“
„Komm, wir wollen zu Abend essen.“
As evening falls over the city, he slips through the back door into the hallway, sneaks up the stairs, goes into his room, and locks the door from the inside.
“Gustav!”, calls his mother.
No answer.
“Gustav, what are you up to up there?”
“Come, it’s time for dinner.”
Gustavs Magen knurrt wie ein hungriger Löwe, doch Gustav hat beschlossen, so lange in seinem Zimmer weiter zu denken, bis er weiß, was er tun muss. Aber dann kommt sein Vater und überredet ihn, die Tür aufzusperren.
„Was ist los?“, fragt er.
„Grrrrrrr!“, macht Gustav.
„Ärger?“
„Grrrrrrr!“
Und weil das so gutgetan hat, erzählt er seinen Eltern die ganze Geschichte.
„Oi, oi, oi!“, sagt sein Vater und kratzt sich den Kopf.
„Verdammt!“, sagt seine Mutter.
Gustav’s stomach growls like a hungry lion, but Gustav has decided to stay in his room and keep thinking until he knows what to do. But then his father comes and convinces him to unlock the door.
“What’s wrong?” he asks.
“Grrrrrrr!” says Gustav.
“Trouble?”
“Grrrrrrr!”
And because it feels good, he tells his parents the whole story.
“Oh boy, oh boy, oh boy!” says his father, scratching his head.
“Darn it!” says his mother.
Plötzlich ertönt vor der Tür ein furchterregendes Gebell.
„Ich seh' mal nach, was da los ist!“, sagt Gustav.
Er hat kein bisschen Angst. Er geht einfach zur blauen Vordertür und öffnet sie.
Und dann sieht er ihn!
Den Dürren!
Den Spindeldürren!
Den Großen!
Den Riesengroßen!
Den Furchterregenden!
Den allerfurchterregendsten Hund aller Zeiten.
Suddenly, a terrifying barking sounds outside the door.
“I’ll go check it out!” says Gustav.
He’s not the least bit afraid. He simply goes to the blue front door and opens it.
And then he sees him!
The Skinny One!
The Spindly-Skinny One!
The Big One!
The Enormous One!
The Terrifying One!
The most terrifying dog of all time.
Dieser Hund sitzt da. Gustav starrt ihn an. Der Hund starrt zurück.
Gustav sagt: „Guten Tag.“
„Wuff!“, sagt der Hund und beginnt freudig zu wedeln.
„Keine Gefahr!“, ruft Gustav ins Haus, „es ist ein Hund.“
„Komm!“, sagt Gustav.
This dog just sits there. Gustav stares at him. The dog stares back.
Gustav says: “Good day.”
“Woof!” says the dog and starts wagging his tail happily.
“No danger!” Gustav calls into the house. “It’s just a dog.”
“Come!” says Gustav.
Der Hund drängt an Gustav vorbei und marschiert in die Küche.
„Da - da ist ja das Hundchen!“, sagt Gustavs Mutter erschrocken.
Das Hundchen stellt sich auf die Hinterbeine, legt seine Vorderpfoten auf ihre Schultern und schlappt ihr mit der Zunge einmal quer durchs Gesicht.
The dog pushes past Gustav and marches into the kitchen.
“Th-there’s the doggy!” says Gustav’s mother, startled.
The doggy stands on its hind legs, puts its front paws on her shoulders, and licks her face from one side to the other.
Der Hund hat Augen so groß wie Ostereier. Und ein Maul so groß wie das eines Zwei-Meter-Hais.
Seine Ohren sind so groß wie Spültücher.
Sein Fell ist zerzaust, und sein Schwanz ist so dünn wie ein Rattenschwanz.
The dog has eyes as big as Easter eggs. And a mouth as big as that of a two-meter shark.
His ears are as big as dishcloths.
His fur is scruffy, and his tail is as thin as a rat’s tail.
„Wuff!“, macht er, setzt sich und sieht alle freundlich an.
Gustavs Vater streckt vorsichtig eine Hand aus und streicht ihm über den Kopf.
Der Hund beginnt vor Freude zu zittern.
Gustavs Mutter starrt ihn an.
Gustav schwebt auf der siebten Wolke.
Diesen Hund wird er nie wieder fortlassen!
„Er ist so dünn!“, sagt Gustavs Mutter, „sicher hat er Hunger.“
„Wuff!“, sagt der Hund.
“Woof!” he says, sits down, and looks at everyone in a friendly manner.
Gustav’s father cautiously extends a hand and strokes him on the head.
The dog starts trembling with joy.
Gustav’s mother stares at him.
Gustav is on cloud nine.
He will never let this dog go!
“He’s so skinny!” says Gustav’s mother. “He must be hungry.”
“Woof!” says the dog.
Gustav gibt ihm sein Abendessen: einen Teller Spaghetti mit Hackfleisch. Der Hund macht einen Happs und der Teller ist leer.
Der Hund hat sich eng an ihn gedrängt und strahlt ihn mit seinen riesigen Augen an.
Gustav gives him his dinner. A plate of spaghetti with minced meat. The dog takes one big gulp, and the plate is empty.
The dog presses close to Gustav and beams at him with his enormous eyes.
Klar, dass der Hund in Gustavs Zimmer schläft. Klar, dass Gustav ihm am Abend alles von sich erzählt. Klar, dass Gustav ihm einen Namen gibt.
Er nennt ihn Dünner!
Der Hund findet das gut.
Wenn Gustav `Dünner´ ruft, wedelt er.
Wenn Gustav `Dünner, mach Platz!´ sagt,
setzt er sich.
Wenn Gustav `Dünner, mach Hübsch!´ sagt, macht er Hübsch.
Of course, the dog sleeps in Gustav’s room. Of course, Gustav tells him everything about himself that evening. And of course, Gustav gives him a name.
He calls him Skinny!
The dog likes it.
When Gustav calls "Skinny," he wags his tail.
When Gustav says, "Skinny, sit!" he sits.
When Gustav says, "Skinny, look pretty!" he looks pretty.
Als Gustav sich am Morgen für die Schule fertig macht, will Dünner unbedingt mit.
„Das geht nicht!“, sagt Gustav. Dünner knurrt.
„Wirklich!“, sagt Gustav. Dünner zeigt sein gefährliches Gebiss.
„Du musst hierbleiben!“, sagt Gustav, „ich bin doch schon bald wieder da.“ Dünners Nackenhaar sträubt sich. Gustav bleibt nichts anderes übrig: Er bindet Dünner an seinem Bettpfosten an.
Dünner jault, als Gustav geht.
The next morning, as Gustav gets ready for school, Skinny insists on coming along.
“That’s not possible!” says Gustav. Skinny growls. “Really!” says Gustav. Skinny shows his dangerous teeth.
“You have to stay here!” says Gustav. “I’ll be back soon.” Skinny’s neck hairs rise. Gustav has no choice: he ties Skinny to his bedpost.
Skinny wails as Gustav leaves.
In der Schule ist alles wie immer.
„Wackelbauch!“ – „Klimperschwein!“
„Alles muss versteckt sein!“, rufen die Kinder.
Gustav probiert aus, was er sich vorgenommen hat: Er hört gar nicht hin. Er tut so, als ginge ihn das überhaupt nichts an.
Einfach ist das nicht.
Aber in der großen Pause funktioniert das Weghören schon besser.
At school, everything is as usual.
“Wiggle-Belly!” – “Wobble-legs!”
Klimperswine eats all the eggs!” the children shout.
Gustav tries out what he had planned: he doesn’t listen at all. He acts as if it doesn’t concern him at all.
It’s not easy.
But during the break, tuning it out works a little better.
Als Hans Lange gerade `Wackelbauch´ ruft, rast ein Schatten so grau wie die Morgendämmerung über den Schulhof und bleibt vor Hans stehen.
Der Schatten knurrt.
Hans Lange wird bleich.
Sein Gesicht ist ganz lang jetzt.
Der Schatten zeigt seine gefährlichen Zähne.
Hans Lange erstarrt.
Gustav hat den Schatten erkannt.
„Dünner, mach Platz!“, ruft er.
Hans Lange setzt sich.
„Nein, doch nicht du!“, ruft Gustav.
Just as Hans Lange shouts Wiggle-Belly!”, a shadow as grey as dawn rushes across the school playground and stops in front of Hans.
The shadow growls.
Hans Lange turns pale.
His face is very long now.
The shadow bares its dangerous teeth.
Hans Lange freezes.
Gustav recognizes the shadow.
“Skinny, sit!” he calls.
Hans Lange sits down.
“No, not you!” shouts Gustav.
Hans Lange hockt auf dem Schulhof.
Dünner sitzt neben ihm.
Gustav kommt.
„Dünner!“, sagt er, „wo kommst du denn her?“
Dünner bibbert vor Freude und reibt seine kühle Hundeschnauze an Gustavs Nase.
Hans Lange steht vorsichtig auf.
„Ist das deiner, Gustav?“, fragt er.
`Hab´ ich richtig gehört?´, denkt Gustav.
`Hat er Gustav gesagt?´
Hans Lange crouches on the school playground.
Skinny sits next to him.
Gustav approaches.
“Skinny!” he says. “Where did you come from?”
Skinny trembles with joy and rubs his cold dog nose against Gustav’s nose.
Hans Lange stands up cautiously.
“Is that yours, Gustav?” he asks.
“Did I hear that right?” thinks Gustav. “Did he just call me Gustav?”
„Ist das dein Hund?“, wiederholt Hans.
„Nein!“, sagt Gustav, „jaaaa! Ich - ich - äh - ich weiß noch nicht!“
„Ja, was denn nun, Klimperschwein?“
Hans hat noch nicht zu Ende gesprochen, als Dünner ihm schon wieder die Zähne zeigt.
Und nicht nur das.
Dünner greift sich Hans Hosenbein und zerrt einmal kräftig daran.
So kräftig, dass Hans auf den Hintern fällt.
“Is that your dog?” Hans repeats.
“No!” says Gustav, “yeees! I – I – uh – I don’t know yet!”
“Well, which is it, Klimperswine?”
Hans hasn’t even finished speaking when Skinny bares his teeth at him again. And not just that.
Skinny grabs Hans’ trouser leg and gives it a strong tug. So strongly that Hans falls onto his bottom.
„Guter Hund!“, sagt Hans flehend, „braver Hund!“
„Dünner, komm lass ihn!“, sagt Gustav.
Die Pause ist vorüber.
Dünner hockt am Schultor und wartet.
Gustav hat ihm das gesagt.
In Gustavs Klasse dreht sich alles um Dünner.
Wo er herkommt! will man wissen.
Wie er heißt? Wie alt er ist?
Und ob er Menschen frisst undsoweiter...
„Ja“, sagt Gustav, „er kann Menschen fressen.“
„Klimperschwein hat einen Menschenfresser!“
“Good dog!” says Hans pleadingly, “good dog!”
“Skinny, come on, let him go!” says Gustav.
The break is over.
Skinny crouches by the school gate and waits. Gustav told him to.
In Gustav’s class, everyone is talking about Skinny. “Where did he come from?” they want to know. What’s his name? How old is he? And if he eats people, and so on ...
“Yes,” says Gustav, “he can eat people.”
“Klimperswine has a man-eater!”
Im gleichen Augenblick ertönt von fern ein so wildes Gebell, dass alle erstarren.
„Tja!“, sagt Gustav, „Dünner hat was dagegen, wenn ihr mich Klimperschwein nennt!“
„Aber das ist doch nur Spaß!“, sagen alle.
„Schöner Spaß“, sagt Gustav, „ich kann nicht drüber lachen!“
At that very moment, a wild barking sounds from afar, freezing everyone in place.
“Well!” says Gustav, “Skinny doesn’t like it when you call me Klimperswine!”
“But it’s only a joke!” everyone says.
“Some joke,” says Gustav. “I can’t laugh about it at all!”
Die Schule ist aus.
Dünner begrüßt Gustav.
Der dünne Rattenschwanz peitscht hin und her.
Die großen Augen leuchten vor Freude.
„Komm!“, sagt Gustav, „nach Hause.“
Die Kinder schauen ihnen nach.
So einen Hund, den hätten sie auch gern.
School is over.
Skinny greets Gustav.
The thin rat tail whips back and forth.
The big eyes shine with joy.
“Come on!” says Gustav. “Let’s go home.”
The children watch them leave.
They’d all like to have a dog like that.