Das Angebot

Mehrsprachige Kinderbücher und Lernangebote in der Zielsprache Deutsch

Über die Website www.mulingula-praxis.de findet das Vorleseprojekt ein digitales Format. Sie bietet über ihre mehrsprachigen (Vor-) Leseangebote eine praktikable Möglichkeit, den Konzeptgedanken von Mulingula in den eigenen Unterricht zu integrieren. Dies gilt für alle, die an ihrer Schule kein finanziertes, analog stattfindendes Projekt haben.
 

Über die Nutzung der Website lässt sich literarisches Lernen in Verbindung mit systematischer Sprachförderung äußerst effektiv in mehrsprachigen Lerngruppen umsetzen. Auf der Website gibt es derzeit zwölf digitale Bilderbücher in den sechs verschiedenen Sprachen Arabisch, Farsi, Romanes, Russisch, Tamilisch und Türkisch sowie auf Deutsch. Die ansprechenden literarischen Kindertexte wurden Mulingula von namhaften Autor*innen geschenkt. Die Texte sind in besonderem Maße auf das Alter von Grundschulkindern zugeschnitten und finden jahrgangsbezogene Zuordnungen.

Die Seite wird sukzessive um weitere Bilderbücher und Sprachen erweitert. Die Homepage wurde 2020 mit dem 1. Platz des Deutschen Lesepreises in der Kategorie Herausragende Leseförderung mit digitalen Medien ausgezeichnet.

Die übersetzten und unterschiedlich illustrierten Erzählgeschichten können von Kindern selbst zweisprachig erlesen oder über die Audiofunktion gehört werden. Direkt nach der Rezeption werden über den Button „für Kinder“ deutschsprachige Höraufgaben angeboten, die allein oder zu zweit bearbeitet werden können. Sie beziehen sich auf den inhaltlichen Kontext des jeweiligen Bilderbuches, trainieren das Hörverstehen und sichern das Textverständnis in der Zielsprache Deutsch.
 

Weiterführende Informationen zu den Lernangeboten im Downloadbereich finden Sie unter: mulingula-praxis.de/materialien-fuer-lehrkraefte/lernmaterialien-zu-den-buechern

Das didaktische Konzept

Der übergeordnete didaktische Rahmen sieht eine Verknüpfung der Didaktik der Mehrsprachigkeit, des literarischen Lernens und der Sprachbildung vor. Zu jedem digitalen Bilderbuch gibt es vielfältige Sprachförderangebote als Downloadmaterial für die Lehrkräfte zur Weiterarbeit im Deutschunterricht. Sie eignen sich zur Förderung der Zielsprache Deutsch, berücksichtigen die Lernbedingungen von DaZ-lernenden Kindern und führen über ihren gezielten Einsatz zu einem sprachbildenden Unterricht. Neben den literarischen Lernchancen eröffnen sie in den elementaren Lernbereichen des Deutschunterrichts Hören, Sprechen, Lesen und Schreiben auch wegen des breit angelegten Differenzierungsspektrums effektive Lernsituationen für DaZ-Kinder, aber auch für alle anderen Kinder im Deutschunterricht. Alle Übungen beziehen sich konsequent auf das Wort- und Sprachmaterial des jeweiligen Kindertextes.

Der authentische Kindertext bietet den inhaltlichen und sprachlichen Bezugsrahmen. Die zweisprachigen Bildwortkarten mit Markierung des deutschen Artikels unterstützen die Arbeit am Wortspeicher. Die ausgewählten Erzählhilfen bieten Redemittel für die Anschlusskommunikation oder die mündliche Nacherzählung. Die Leseangebote sind differenziert und sprachentlastend aufbereitet. Angebote zum generativen Schreiben oder differenzierte Hilfen zur Textplanung (z. B. das Schreibkarussell) verhelfen zu erfolgreichen Schreibprozessen. (Strozyk, 2022, S. 21)

Die Übungsformate der Seite bleiben konstant und weisen nur in der Abstimmung auf den jeweiligen Kindertext und in Bezug auf die Lernvoraussetzungen Variationen auf. Durch die Wiederholungsstruktur entwickeln sich sowohl bei den Kindern als auch bei den Lehrkräften Handlungsroutinen im Umgang mit der Seite.

Beispiel

Der Text „Eine haarsträubende Geschichte“ von Achim Bröger fordert aufgrund der kettenförmig inszenierten Begegnungen zahlreicher Protagonist*innen eine Auseinandersetzung mit den Personal- und Possessivpronomen geradezu heraus. Die differenziert illustrierten Charaktere bieten sich für eine Personenbeschreibung an. Eine detaillierte Darstellung einer literarischen Aufbereitung des Buches sowie didaktische Erläuterungen und methodische Hinweise finden sich unter der Menüleiste „für Lehrkräfte“.

Vorgehensweisen

Digital und analog gestaltete Vorlesesituationen

Die Seite lässt sich sowohl digital als auch analog über das Material aus dem Downloadbereich im Unterricht einsetzen. In individuell gestalteten Lernsituationen können sich Kinder allein oder zu zweit den Text eines digitalen Bilderbuches am iPad vorlesen lassen. Es kann durchaus sinnvoll sein, dass Kinder sich das Bilderbuch vor einer gemeinsamen Texterschließung auf Deutsch über die Audiofunktion in ihrer Muttersprache anhören. Dies kann auch abschnittweise in Kombination mit der deutschen Fassung geschehen. Eine weitere Möglichkeit besteht in der Präsentation eines Textes auf Deutsch und in Kombination mit einer anderen Sprache für die ganze Lerngruppe direkt über Internetzugriff und Beamerprojektion. Die Audiofunktion ermöglicht mehrsprachige Vorlesesettings. So erleben alle Kinder, auch die deutschsprachigen, eine spannende Begegnung mit einer Sprache ihrer Mitschüler*innen. Über die großformatigen Projektionen der Illustrationen erhält die Präsentation des Bilderbuches den Charakter einer Kinovorstellung.

Über die Bild- und Textangebote des Downloadmaterials lassen sich aber auch analoge Präsentationen der digitalen Bilderbücher im Sinne eines klassischen Literaturunterrichts für die ganze Klasse realisieren. Die Abbildungen 43 und 44 zeigen, wie das Bilderbuch „Moritz malt ein Strichmännchen“ (www.mulingula-praxis.de) von Achim Bröger für eine mehrsprachige Kamishibai-Präsentation aufbereitet wurde. Es wird in einem dialogisch angelegten Setting vorgelesen. Das heißt, der Text wird an geeigneten Stellen unterbrochen, um die Kinder mit ihren Gedanken und Ideen miteinzubeziehen (vgl. Kapitel 2.6 „Prinzipien und Methoden des Vorlesens“). Hier ist der unmittelbare Kontakt zu den Kindern anders als bei der Beamerpräsentation stets gegeben. Die vorlesende Person hat alle Kinder über ihre Positionierung im Kinositz stets im Blick. So kann sie unmittelbar auf Verständnisfragen oder fehlende Konzentration und Aufmerksamkeit reagieren.

Der zweisprachige Vorlesevortrag im Klassenverband

Die literarische Auseinandersetzung in der Lerngruppe bzw. im Klassenunterricht sollte für alle in der Zielsprache Deutsch in Kombination mit einer anderen Sprache im Sinne eines handelnden Literaturunterrichts erfolgen und geschieht daher bevorzugt, wie oben beschrieben, in einem analog gestalteten Lernsetting. Aber auch eine nachgeschaltete digitale Präsentation in einer der bevorzugten Sprachkombinationen über einen Beamer ist für die Einbindung von Mehrsprachigkeit sinnvoll, wenn es keine Vorlesekraft in einer Zweitsprache gibt.

Neben der Kamishibai-Präsentation ist es auch möglich, die Bild- und Textvorlagen zu einem Kniebuch binden zu lassen. Das Bilderbuch wird für alle Kinder zunächst auf Deutsch und in Kombination mit einer anderen Sprache vorgelesen (s. Kapitel 3.5 „Der zweisprachige Vorleseworkshop“). Das Downloadmaterial bietet vielfältige Möglichkeiten der medialen Aufbereitung. Einige der illustrierten Protagonist*innen gibt es auch als Freisteller, sodass sie für eine szenische Inszenierung, wie z. B. ein Stabpuppenspiel, eingesetzt werden können (s. Abb. 46). Das Mulingula-Team legt viel Wert auf eine ästhetische Aufbereitung aufforderungsstarker Medien, um das Zuhören und die sprachliche Auseinandersetzung für Kinder attraktiv zu machen.

Wann immer es möglich ist, wird das gesamte Sprachenspektrum in der Klasse thematisiert und miteinbezogen. Die mehrsprachigen Bildwortkarten zum Download enthalten auch immer eine Blankoversion, in der sich die Schlüsselwörter in weiteren Sprachen festhalten lassen. Die Kinder werden explizit aufgefordert, ihre Eltern um Mithilfe zu bitten.

Eine zweisprachige Rezeption mit gemeinsamer Anschlusskommunikation und eine umfassende literarische Auseinandersetzung, die z. B. Nacherzählungen und szenische Umsetzungen vorsieht, sind wichtig, damit den Kindern der Inhalt und das Sprach- und Wortmaterial eines Textes vertraut werden. Auf dieser Grundlage lässt sich in den o. g. Lernbereichen sprachfördernd in der Zielsprache Deutsch weiterarbeiten. Die Kinder haben so eine wichtige Orientierung, was Inhalte, Wortschatz und sprachliche Strukturen angeht.